Path of Miracles

Im Rahmen der Vocumenta 2023 laden wir recht herzlich am 17. November 2023 um 19.30 Uhr zum Konzert in unsere Kirche S. Maria Rotunda, Postgasse 4, ein. Das Ensemble „Momentum Vocal Music“ singt unter Leitung von Simon Erasimus „Path of miracles“ des zeitgenössischen Komponisten Joby Talbot (*1971).

Die spanische Kathedrale von Santiago de Compostela ist eine der weltweit verehrten „Stätten der Transition“, ein Heiligtum, in dem die Grenze zwischen Erde und Himmel zu verschwimmen scheint. Seit dem neunten Jahrhundert folgten Pilger der alten Route, die von Frankreich zur Kathedrale Santiago mit dem Schrein führt, in dem die Gebeine des Heiligen Jakob (span. Santiago) aufbewahrt werden, der Route, die weiterführt nach Finisterre, „dem Ende der Welt“ an der Westküste Spaniens.
Path of Miracles (Pfad der Wunder), ein acappella-Werk des britischen Komponisten Joby Talbot (* 1971), beschwört vier der Hauptetappen des Jakobswegs als Ausdruck der persönlichen Erfahrungen des Pilgers herauf. Path of Miracles ist für 17 unabhängige Vokalstimmen geschrieben; gelegentlich wirken Crotales mit, kleine gestimmte Zymbeln. Die Partitur enthält einige ad-libitum-Bühnenanweisungen für Bewegungen der Sänger während des Stücks. Das Ensemble Tenebrae von Nigel Short gab es in Auftrag und nahm es 2005 auf. Die vier dargestellten Orte, die Talbot zur Vorbereitung der Komposition aufsuchte, sind zunächst die Pilgerwege, die sich bei Roncesvalles zum Weg aus Frankreich über die Pyrenäen bündeln, dann die Kathedralstädte Burgos und Léon, sowie Santiago de Compostela selbst.

Der Text von Robert Dickinson (* 1962) enthält Zitate aus der Bibel und mittelalterlichen Quellen. Er stellt den physischen und geistigen Fortschritt des Pilgers dar und bezieht sich auf die Menge von Heiligengeschichten, Wundern und Überlieferungen, die sich mit dem Jakobsweg verbinden. Schreine von Pilger-Märtyrern werden heraufbeschworen, historische Hospizien, der Pilgerpass, dann auch die symbolische Verbrennung eines Kleidungsstücks in Finisterre, mit der die Abkehr eines Pilgers von seinem ehemaligen Leben erklärt wird.

Der erste Satz „Roncesvalles“ setzt mit tiefen Tönen ein, die allmählich in Höhe und Lautstärke zunehmen und sich plötzlich in einem Gebet an Santiago aus dem Codex Calixtinus entladen. Ein Bibelzitat, das sich auf das Märtyrertum des Heiligen Jakob bezieht, wird nacheinander in Griechisch, Lateinisch, Spanisch, Baskisch, Französisch, Englisch und Deutsch gesungen und stellt das babylonische Stimmengewirr in Roncesvalles dar, wenn Pilger aus aller Welt ihre Pilgerfahrt beginnen. Danach kommen Abschnitte, die sich auf das Werk des Heiligen in Spanien beziehen, die wunderbare Überführung seines Leichnams zurück nach Spanien, und auf die Entdeckung seines Grabes 800 Jahre später auf dem „Sternenfeld“.

„Burgos“ ist von den Schwierigkeiten der Pilgerfahrt belastet, die durch ein schleppendes Motiv und lange Pausen ausgedrückt werden. Der Pilger wird zum Weitergehen ermahnt durch Betrachtung der Menge von vorausgehenden Pilgern, die schlimmere Mühen mit der Hilfe von Heiligen ertrugen.

Ein Sopranostinato erleuchtet „Léon“ von oben, wie das ständige Sonnenlicht auf den Pfad. Weitergehen bestimmt das Leben des Pilgers, schlafend und wachend, und die bloße Existenz ist ein Wunder.

„Santiago“ hebt an mit der Wiederaufnahme des Triolenmotivs aus dem Anfang der Pilgerfahrt, während der Text besondere Ansichten der Landschaft beschreibt, die an dem Pilger nur als „Schatten“ vorbeiziehen. Der Hymnus an Santiago kehrt wieder, wenn das Ziel schließlich in Sicht kommt, gefolgt von einer lebendigen, synkopierten Vertonung eines mittelalterlichen Textes auf den Frühling aus den Carmina Burana. Der Pilger wiederholt Gebete an den Heiligen Jakob, um das Ende der Pilgerfahrt und den Beginn eines neuen Lebens zu feiern.

Über das Vokalensemble

Momentum Vocal Music ist ein professionelles Vokalensemble der besonderen Art: eine vokale Familie, die sich zum Ziel setzt, die vielen Facetten chorischen Musizierens hör- und sichtbar zu machen. 2018 wurde das Ensemble von Simon Erasimus gegründet. Das Repertoire des Ensembles umspannt sowohl die ganze Fülle der Chorliteratur als auch solistisch besetzte Vokalmusik von der Renaissance bis zur Gegenwart. So brachten die professionellen Sänger:innen von Momentum Vocal Music in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche vokale Meilensteine zur Aufführung: Die Missa prolationum von Johannes Ockeghem, Madrigale von Claudio Monteverdi und Carlo Gesualdo, Motetten und Kantaten von Johann Sebastian Bach, romantische Chorwerke von Johannes Brahms, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Anton Bruckner ebenso wie Vokalmusik des 20.  Jahrhunderts von Giacinto Scelsi, György Ligeti, Arvo Pärt, Olivier Messiaen, Anton Heiller und Jean-Yves Daniel-Lesur.

Chorleiter Simon Erasimus

Der Chorleiter, Dirigent und Sänger Simon Erasimus ist Gründer und Leiter des Vokalensembles Momentum Vocal Music sowie Assistent des künstlerischen Leiters der Wiener Singakademie am Wiener Konzerthaus. Während seiner Studienzeit gründete Simon Erasimus Momentum Vocal Music. Mit diesem professionellen Vokalensemble führt er regelmäßig Konzerte und Workshops in ganz Österreich durch.

Komponist Joby Talbot

Joby Talbot wurde 1971 in Wimbledon geboren. Er studierte zunächst privat Komposition bei Brian Elias und am Royal Holloway and Bedford New College. Anschließend machte er an der Guildhall School of Music and Drama bei Simon Bainbridge seinen Master of Music (Komposition). Zu den Highlights des vielgestaltigen Werks aus der Feder von Joby Talbot gehören das a- cappella-Chorstück Path of Miracles (2005), Chroma für The Royal Ballet (2007), die Filmmusik Hitchhiker’s Guide to the Galaxy (2005), das Trompetenkonzert Desolation Wilderness für Alison Balsom und das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra (2006), Genus für das Pariser Opernballett (2007), Tide Harmonic für das Orchestre National de Lille (2009) und später für das Pacific Northwest Ballet (2012), Alice’s Adventures in Wonderland (2011) und The Winter’s Tale (2014) für The Royal Ballet and National Ballet of Canada, eine Neubearbeitung von Purcell’s Chaconne in g-moll (BBC Symphony Orchestra, 2011), Chamber Symphony für das Nederlands Dans Theater (2012), World, Stars, Systems, Infinity für das Philharmonia Orchestra (2012), Meniscus für das National Centre for the Performing Arts in Peking (2013) und Everest für die Oper in Dallas (2015).

(Quelle: Programmheft)

Das Foto oben: Ensemble Momentum Vocal Music (© Theresa Pewal)