„Aquinas in History“

Dreitägiges Symposium beleuchtet die Philosophie und Theologie des hl. Thomas von Aquin (1225 – 1274)

Vom 6.-8. Juni 2024 findet in unserem Kloster das internationale, hochrangig besetzte, englischsprachige Symposium Thomisticum VII unter dem Titel „Aquinas in History“ statt. Es beinhaltet Themen aus verschiedenen Bereichen der Philosophie und Theologie des Thomas von Aquin. Der Dominikaner ist bis heute ein Vorbild für die Suche nach der Wahrheit in Philosophie und Theologie. Die Beiträge der zahlreichen Redner auf dem Symposium, die den heiligen Thomas in Bezug zu einer oder mehreren seiner Quellen oder späteren Einflüssen stellen, werden auf der Veranstaltung zeitlich begrenzt, um Raum für die Diskussion zu geben. Dadurch ist ein lebendiger Austausch über die Philosophie und Theologie des großen Heiligen, der derzeit aufgrund dreier bemerkenswerter Jubiläen im Zentrum eines dreijährigen Gedenkzeitraumes (2023-2025) steht – zu erwarten. Die Jubiläen sind zugleich Anlass dieser Veranstaltung.

Veranstaltet wird das Symposium von Dr. Fran O´Rourke, emeritierter Professor für Philosophie, University College Dublin, in Kooperation mit Pater Dr. Rupert Mayer OP vom Dominikanerkonvent Wien. Das stimmungsvolle Kloster im historischen Herzen der Donaumetropole ist eines von nur drei Dominikanerhäusern mit einer ununterbrochenen 800-jährigen Geschichte – der 800. „Geburtstag“ wird im Jahr 2026 gefeiert. So fallen im Grunde die Jubiläen rund um den hl. Thomas von Aquin mit dem 800-jährigen Bestehen des Wiener Konventes zusammen. Der Wiener Konvent ist seit seiner Gründung ohne Unterbrechung Wirkungsstätte der Dominikaner. Er ist somit nach dem Schottenstift das zweitälteste durchgehend bestehende Kloster Wiens.

Hier gibt es weitere Informationen zum Symposium: http://www.symposiumthomisticum.com

Foto: Kapelle des hl. Thomas von Aquin, Altarblatt mit der göttlichen Bestätigung der Lehre des hl. Thomas von Frans Luycx, um 1650. Die Kapelle befindet sich in der Wiener Dominikanerkirche S. Maria Rotunda (erbaut 1631 – 1634), erste frühbarocke Kirche Wiens.

Thomas – dessen Gedenktag wir jedes Jahr am 28. Jänner feiern – wurde 1225 auf der Burg Roccasecca in der Nähe der Stadt Aquino geboren. Vierzehnjährig schickten sie ihn zum Studium nach Neapel. Dort lernte er den Orden des hl. Dominikus kennen. Trotz heftigen Widerstandes seiner Familie entschied sich Thomas 1244, in Neapel in den Orden der Predigerbrüder einzutreten.

In Köln war Thomas Schüler des hl. Albert des Großen, der seine außergewöhnliche Begabung erkannte. Er stellte alle seine Kräfte in den Dienst der Wahrheit. Thomas formulierte die Idee des Predigerordens so: Contemplari et contemplata aliis tradere – In der Kontemplation leben und anderen die Früchte der Kontemplation weitergeben. Das große Thema des Thomas von Aquin, des Denkers der Scholastik, ist die Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Vernunft. Thomas legt im Rahmen seines Hauptwerks Argumente dafür dar, dass der Glaube an die Existenz Gottes nicht vernunftwidrig ist, sich also Glaube und Vernunft nicht widersprechen. Seine „fünf Wege“ legen rationale Gründe für Gottes Existenz dar. Die Argumentationskette endet jeweils mit der Feststellung: „Das ist es, was alle Gott nennen.“

Eine Vielzahl an Werken

Jedes Jahr 4.000 Seiten, so hat man ausgerechnet, hat Thomas von Aquin geschrieben. Das war nur möglich, indem er bis zu vier Sekretäre gleichzeitig beschäftigte. Bis zum frühen Morgen diktierte Thomas und merkte offenbar kaum, dass der Docht der Kerze, die er in der Hand hielt, ihm die Finger versengte. Er schlief kaum und trieb an seinem Körper Raubbau. Seine große Gelehrsamkeit fand ihren Niederschlag in der Vielzahl seiner philosophischen und theologischen Werke, besonders in seinem Hauptwerk, der „Summa theologiae“, die eine systematische Zusammenstellung der theologischen Fragestellung ist.

Groß wie seine Geisteskraft aber war auch seine Frömmigkeit. Zeugnis davon geben die von ihm verfassten liturgischen Texte über das Leiden des Erlösers und das Geheimnis der Eucharistie wie auch die Verehrung der Gottesmutter.

1567 zum Kirchenlehrer erhoben

Auf der Reise zum Konzil von Lyon starb Thomas am 7. März 1274 im Zisterzienserkloster von Fossanova. Papst Johannes XXII. sprach ihn am 18. Juli 1323 heilig. Papst Pius V. erhob ihn am 11. April 1567 zum Kirchenlehrer. Papst Leo XIII. ernannte ihn am 4. August 1880 zum Patron aller katholischen Universitäten und Schulen.

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wird das umfangreiche lateinische Œuvre des Thomas wissenschaftlich herausgegeben. Seit nunmehr fast einhundert Jahren machen es sich die Dominikaner zur Aufgabe, diese theologische Summe auf Deutsch zu übersetzen und mit einem ausführlichen Kommentar zu versehen. Die auf knapp 40 Bände ausgerichtete „Deutsche Thomas-Ausgabe“ (DThA) ist noch nicht abgeschlossen.

Drei aufeinander folgende Gedenkjahre, die an Thomas von Aquin erinnern, gruppieren sich zurzeit am Himmel der Erinnerungskultur wie der Gürtel des Orions.

Am hellsten leuchtet das gegenwärtige Jahr 2024, das den 750. Todestag des Thomas von Aquin am 07. März 1274 im Zisterzienserkloster Fossanova markiert. Der seit dem Nikolaustag 1273 („alles im Vergleich jetzt nur noch wie Stroh“) stark eingeschränkte Dominikaner befand sich beim Tod noch ziemlich am Anfang seiner befohlenen Reise von Neapel zum II. Konzil von Lyons.

Diese dreijährige Feier begann schon 2023, als man nach genau 700 Jahren an die Heiligsprechung des hl. Thomas am 08. Juli 1323 in Avignon durch Papst Johannes XXII. bald nach dem Höhepunkt des Armutstreits zwischen dem Papstum und den Minoriten erinnerte. Ab diesem Zeitpunkt sprechen die Texte seltener von „frater Thomas“ als von „beatus Thomas“ oder dem hl. Thomas.

Im kommenden Jahr 2025 wird man auch ohne genauere Kenntnisse den 800. Geburtstag des Thomas auf der Festung Roccasecca etwas nördwestlich von Monte Cassino feiern. Zeitgenössische Quellen bezeugen nämlich, dass der Dominikaner bei seinem Tod nicht einmal 50 Jahre alt gewesen sei, was diese Schätzung seines Geburtsjahres rechtfertigt. Die einzige von Thomas verfasste (oder mitverfasste?) Schrift nach dem 06. Dezember 1273, ein Brief an den Abt und die Kommunität von Montecassino zur höflichen Absage einer Einladung zum theologischen Gespräch mit dem Benediktinerkloster, zieht eine Parallele zur Geschichte der Heiligen Benedikt und Maurus in dieser Gegend nahe der späteren Stadt Aquino.

Potenzial der Schriften des frater Thomas

„Feiern“ wäre der Ehre zu wenig. Es geht vielmehr um Gedenken, was auch immer das Weiterdenken erfordert, freilich hier und da um das Querdenken und der Einspruch. Thomas selbst versuchte sehr oft die Tragweite eines neuplatonischen Grundsatzes auszuloten: Quidquid reciptur, recipitur secundum modum recipientis. Alles, was je verstanden wird, wird im Horizont des Verstehenden verstanden, auch wenn das Verstehen alte Grenzen nach außen verschiebt. Das noch nicht ausgeschöpfte Potenzial der Schriften des frater Thomas zeigt sich heute in der wieder stark angestiegenen Zahl immer neuer Versuche, seine Schriften historisch verbürgt und systematisch weiterentwickelt zu rezipieren.

P. Richard Schenk OP