Wo das Licht Gottes in die Welt strömt

Welchen Raum bietet eine Barockkirche für Sehnsucht? Nun, auf den ersten Blick in so manches Kirchenrund: scheinbar gar keinen. Doch an diesem „scheinbar“ lässt sich erkennen, dass P. Günter Reitzi, Prior des Dominikanerkonventes Wien und Autor dieses Beitrages, zu einem anderen Blickwinkel einlädt…

Zuerst eine unterscheidende Bemerkung, werte Leserin, werter Leser: Es gibt frühbarocke Kirchenarchitektur, und es gibt hoch- und spätbarocke. Viele Leute sagen beim Betreten einer Barockkirche: „Pha, überladen!“ oder „schrecklicher Prunk!“.  Dem würde ich – zögernd zwar, aber doch – bei hochbarocken Kirchen zustimmen. Auch wird in diesen Kirchenräumen ein gewisser Machtanspruch sichtbar.

Bewusst mit Licht- und Blicklenkung spielen

Frühbarocke Kirchen sind jedoch meist verspielt, besitzen eine gewisse Leichtigkeit in Elementen und Formensprache und spielen bewusst mit Licht (Bild 1) und Blicklenkung. All das trifft auf unsere Wiener Dominikanerkirche zu, die gerade fertig restauriert wurde und in neuem, altem Glanz erstrahlt.

Für das Verstehen unserer Kirche St. Maria Rotunda und das Empfinden in ihr ist wichtig nachzuvollziehen, unter welchen Vorzeichen sie von 1631 bis 1634 gebaut und gestaltet wurde: Zuerst einmal wütete gerade der 30jährige Krieg in seiner Hochphase. Dieser Krieg, geführt auch im Zeichen der Religion, stürzte ganz Europa in verheerende Kämpfe zwischen Herrscherhäusern und Lagern, die Menschen überall Tod, Vernichtung, Armut und Leid brachten. Darüber hinaus war gerade die Gegenreformation im Gange – auch hier ging es nicht nur um Glaubensfragen, sondern auch um ganz konkrete Machtansprüche.

In genau dieser bewegten Zeit wurde unsere Kirche gebaut. Und sie hat zwei Hauptthemen:

Einerseits macht sie in Architektur, Bildern und Fresken sichtbar, dass das Licht Gottes in Jesus die Welt erleuchten will. In einer Zeit, die von menschlichem Machtmissbrauch verdunkelt ist, stellt dieser Kirchenraum vor Augen, dass Gott die Welt nicht vergessen hat, sondern der Himmel im Licht Gottes sie erleuchten will.

Trauer bekommt ihren Platz

Andererseits wird das Leid natürlich nicht vor der Tür gelassen – es bleibt präsent. Aber es findet einen anderen Stellenwert in diesem hereinbrechenden Licht Gottes (Bild 2). Trauer bekommt in unserer Kirche ihren Platz, beleuchtet – oder besser erleuchtet – durch Gott, der in Jesus herausführt aus den menschlichen Abgründen hinein in die Auferstehung (Bild 3).

So gab unsere frühbarocke Kirche den Menschen damals die Hoffnung, dass der Himmel, das Licht Gottes in diese Welt strömen will, um Sorgen und Leid der Gläubigen zum Guten zu wenden. Himmel nicht als reine Jenseitsvertröstung, sondern als Realität, die den betrachtenden Menschen erreichen will. Voraussetzung ist natürlich, dass er den Himmel an- oder besser: aufnimmt.

Wird auf diese Weise eine frühbarocke Kirche, richtig verstanden, nicht auch zu einem Zeichen für unsere Zeit? Unsere Sehnsucht nach einer friedlichen Welt im Hier und Jetzt, in uns – sie kann Erfüllung finden, wenn wir den Himmel, das Licht Gottes eindringen lassen.